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Erbschaften: Steuervergünstigungen abschaffen, Steuersätze senken

Pressemitteilung vom 20. Januar 2016

DIW-Forscher schätzen Erbschaften und Schenkungen jährlich auf 200 bis 300 Milliarden Euro ­ Große Ungleichheit durch starke Vermögenskonzentration, bisher weitgehend steuerfreie Übertragung von großen Unternehmensvermögen – Empfehlung der Forscher: Steuervergünstigungen abbauen und Steuersätze für Unternehmensübertragungen begrenzen

2009 wurden die Steuerprivilegien für Firmenübertragungen ausgeweitet und später vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. Derzeit berät die Große Koalition über eine Erbschaftsteuerreform, bei der es um die Einschränkung der Steuervergünstigungen für Übertragungen von großen Unternehmen geht. In einer neuen Studie, die im DIW Wochenbericht erschienen ist, simulieren die DIW-Ökonomen Stefan Bach und Andreas Thiemann das potenzielle Erbschaftsvolumen für den Zeitraum von 2011 bis 2020, schätzen das Schenkungsvolumen und analysieren die steuerlichen Wirkungen einer Abschaffung aller Steuervergünstigungen.

„Mit ihrer Strategie einer ‚minimalinvasiven Reform‘ hat sich die Große Koalition im Geflecht der widerstreitenden Ziele verfangen“, bewertet Stefan Bach, Steuerexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die geplante Erbschaftsteuerreform. Die DIW-Experten simulieren ein einfaches Erbschaftsteuermodell: Abschaffung aller Steuervergünstigungen, niedrige Steuersätze auf die Erbschaften und Schenkungen, die einen hohen persönlichen Freibetrag übersteigen. Damit könnte das Steueraufkommen langfristig steigen.

Ungleichheit durch starke Vermögenskonzentration

Laut DIW-Experten werden in den nächsten Jahren etwa 200 bis 300 Milliarden Euro jährlich vererbt oder verschenkt. Da die Vermögen sehr stark konzentriert sind, ist für künftige Vermögensübertragungen in Form von Erbschaften und Schenkungen eine ähnlich ungleiche Verteilung zu erwarten. Etwa die Hälfte der Übertragungen liegen unter 50 000 Euro. Übertragungen von mehr als 500 000 Euro erhalten nur noch 1,5 Prozent der Begünstigten, auf die ein Drittel des gesamten Übertragungsvolumens entfällt. Die 0,08 Prozent der Fälle mit Übertragungen von mehr als fünf Millionen Euro erhalten 14 Prozent des Übertragungsvolumens.

Die Unternehmensübertragungen schätzen die DIW-Ökonomen längerfristig auf 30 bis 40 Milliarden Euro im Jahr. Diese dürften nach dem derzeitigen Recht weitgehend steuerbefreit sein. Laut Stefan Bach würde sich daran nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung nur wenig ändern. Weil die hohen Vermögen zu einem großen Anteil aus Unternehmen und Unternehmensvermögen bestehen, sind auch die entsprechenden Erbschaften und Schenkungen noch deutlich stärker auf die hohen Übertragungen konzentriert. Etwa die Hälfte der Unternehmensübertragungen entfällt auf die Fälle mit Erbschaften oder Schenkungen über fünf Millionen Euro.

Erbschaftsteuerreform festgefahren

Bach und Thiemann empfehlen, die Steuervergünstigungen weitgehend abzubauen und die Steuersätze für Unternehmensübertragungen auf beispielsweise 15 Prozent zu begrenzen. In den nächsten Jahren würde eine solche grundlegende Erbschaftsteuerreform jedoch nicht funktionieren, da durch Vorzieheffekte bereits ein erheblicher Teil der hohen Vermögen steuerfrei auf die nächste Generation übertragen worden ist. Sollte die Erbschaftsteuer in einigen Jahren zum vierten Mal vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern, stellt sich auch die Frage nach Alternativen, um nicht nur die untere Oberschicht, sondern auch die sehr reichen Haushalte in eine moderat progressive Besteuerung der Vermögen einzubeziehen. In Frage kommen hierzu Erhöhungen bei der laufenden Unternehmens- und Kapitaleinkommensbesteuerung oder eine Wiedererhebung der Vermögensteuer.

Links

Interview mit Stefan Bach (Print (PDF, 89.8 KB) und
O-Ton von Stefan Bach
Bei der Erbschaftsteuerreform versucht die Große Koalition die Quadratur des Kreises - Sieben Fragen an Stefan Bach
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